Interview mit Laurence Jubber
„Al sollte mehr Klavier spielen...“
Interview mit Laurence Juber (Köln, 12. März 2001)
von René Klammer
„Für welche Zeitung machen Sie das Interview?“ will der „Art of Sound“-Verkäufer wissen, während ich auf Laurence Juber warte, der hier heute nachmittag einen Workshop veranstalten wird. „Das Interview ist für die deutsche Website von Al Stewart“, antworte ich. Doch der Name scheint ihm nichts zu sagen: „Wer? Dave Stewart?“ Ich erzähle dem Mann von Al’s Musik und erwähne, daß LJ die neue CD von Al produziert hat, die soeben in England erschienen ist: „Down in the Cellar“, ein Konzeptalbum über Wein, im Folkrock-Stil.
„Ah so. Na, so‘n Produzent ist ja eine wichtige Person bei der Entstehung einer CD“, fachsimpelt er. Ganz richtig. Deswegen bin ich nun doch etwas nervös, als ich Herrn Juber mit Gitarrenkoffer quer über den Alter Markt auf das Geschäft zukommen sehe. Ja, er ist’s: Laurence Juber: (Session-) Musiker für Paul McCartney, George Harrison, Jim Rafferty, Produzent und Arrangeur von „Between the Wars“ und „DitC“, in den USA erfolgreicher Solokünstler mit CD’s wie „Naked Guitar“, „Solo Flight“ oder „LJ“ und vieles mehr.
Ich warte, bis er sein Gepäck abgeladen hat, dann gehe ich auf ihn zu und stelle mich vor. Er weiß noch nicht, daß ich ihn interviewen will: Ich hatte nur mit dem Geschäftsführer von „Art of Sound“ gesprochen – der meinte, ich solle einfach vor der Veranstaltung vorbeikommen, LJ sei ein recht unkomplizierter Mensch und hätte bestimmt nichts dagegen.
Als ich ihm erkläre, daß es um seine Zusammenarbeit mit Al Stewart geht, lacht er: AS-Fans trifft man auch überall. „Fragen Sie mich, während ich das Equipment aufbaue. Nachher ist bestimmt keine Zeit dazu.“ Ich schalte das Diktiergerät ein und lege los...
Wie kam es 1994 zu der Zusammenarbeit mit Al?
Der Mann, dem die Plattenfirma gehört, die meine CD’s rausbringt – James Jensen – hat als Musikjournalist gearbeitet, bevor er Chef dieser Plattenfirma wurde. Er hat Al interviewt und fand heraus, daß Peter White in naher Zukunft nicht mit Al würde zusammenarbeiten können. Also hat er vorgeschlagen, daß ich das mache – James Jensen brachte die Sache ins Rollen. Al und ich haben uns getroffen und ich schlug Steve Chapman – Al’s Manager – vor, daß wir zusammen touren könnten, eine kleine Tour. Al hatte einige Konzerte in Colorado bevorstehen, also sind wir dort zusammen aufgetreten. Das funktionierte sehr gut.
Später kam er dann zu mir nach Hause – er arbeitete an einem Song, „Night Train to Munich“, und wir haben eine Demo aufgenommen. Das meiste von dieser Demo ist auf der fertigen CD zu hören – mein Gitarrensolo klingt genauso wie auf dem Demoband. Und so fragten sie mich, ob ich das ganze Album produzieren wolle.
Es war Absicht, auf „Between the Wars“ etwas stilistisch anderes zu versuchen als das, was Al auf seinen vorherigen Alben gemacht hatte?
Oh ja, das war eine bewußte Entscheidung, Al wollte etwas anderes machen. Mein Vorschlag war – weil wir ja zusammen tourten – daß wir die Songs um zwei Gitarren herum aufbauen sollten. Und er schrieb Songs in diesem Stil. Also haben wir gesagt: Klasse, machen wir ein ganzes Album in dieser Art. Und er sagte: Hör mal, ich habe diese ganzen Ideen für Texte, die alle zwischen den beiden Weltkriegen spielen... So hat’s angefangen, das Konzept für das Album war schon sehr früh klar.
„Down in The Cellar“ klingt nun wieder ganz anders als „Between the Wars“
Sehr anders. Es ist ja ein völlig anderes Konzept. Zuerst einmal war „Between the Wars“ ein Album von „Al Stewart mit Laurence Juber“, wohingegen „Down in the Cellar“ ein reines Al Stewart-Album ist.
Trotzdem: Ganz am Anfang zogen wir in Betracht, wieder Gitarren-Songs aufzunehmen. Aber Al schrieb Lieder, in denen mehr Keyboard vorkam. Also habe ich einen Keyboard-Player dazugeholt, Jim Cox, und es entwickelte sich mehr in diese Richtung. Es ging im Wesentlichen darum, das zu machen, was Al haben wollte – mein Job war diesmal nur der eines Produzenten. Ich habe arrangiert und produziert und Instrumente gespielt, aber nicht in dem Maße, in dem ich an „Between The Wars“ beteiligt war. Es war in künstlerischer Hinsicht eine weniger enge Zusammenarbeit diesmal. Das Album ist repräsentativ dafür, was Al selbst gefällt.
Wie läuft die Arbeit mit Al ab? Wie war der Entstehungsprozeß von „DitC“ von den ersten Demos letztes Jahr im Januar, bis hin zum Endmix im Juni?
Es gab keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Demos und dem Endmix. Manche Songs sind die Demos. „Under A Wine-Stained Moon“ ist größtenteils ein Gitarrensolo – und das haben wir von den Demos genommen.
Mit Al ist das so: Wenn die Demo sich richtig anfühlt, dann will er nicht zuviel daran verändern. Darum versuche ich immer – vor allem bei „Between the Wars“ war das der Fall – es so hinzubiegen, daß alles, was wir aufnehmen, ein Master sein könnte. Ich habe alles immer auf Multi-Track aufgenommen, auf dem 24-Spuren-Gerät.
„Soho“ zum Beispiel hatten wir in einer Stunde fertig. Al spielte seinen Gitarrenpart und sang, ich spielte meinen Gitarrenpart – und das war’s.
Was am meisten Zeit brauchte, waren die Streicher-Arrangements. Ich fand, die brauchten wir, weil das Weinthema nach etwas Eleganz verlangte, nach einem klassischen Touch. „Franklin’s Table“ hat sich dafür wirklich angeboten. Und die elektrische Gitarre kam dann ganz automatisch hinzu. Ich hatte eigentlich gar nicht vor, auf diesem Album elektrische Gitarre zu spielen, aber es schien logisch – weil wir Schlagzeug hatten und es einfach in die Musik paßte.
Sie sind der Co-Autor von „Tasting History“ und „The Shiraz Shuffle“...
„Shiraz Shuffle“ ist ein Stück von mir, das Al gefallen hat und für das er einen Text geschrieben hat. Ich werde das auch für meine nächste CD aufnehmen. Bei „Tasting History“ hatte er den ersten Teil, aber nicht die Brücke. Also habe ich die Brücke geschrieben.
Wie würden Sie „Down in the Cellar“ zusammenfassen, in musikalischer Hinsicht? Für jemanden, der das Album noch nicht kennt.
Leute, die mit Al’s Arbeit vertraut sind, werden die CD charakteristisch finden im Hinblick auf das, was er in den Siebzigern gemacht hat – weil es viel Keyboard und viel Schlagzeug gibt. Und ich finde, sein Gesang klingt sehr entspannt, hauptsächlich deswegen, weil ich ihn die Gesangsaufnahmen nicht oft wiederholen ließ. (Er lacht.)
Wir haben auch ein klassisches Al Stewart-Epos auf „DitC“: „The night that the band got the wine“. Aber es ist eine etwas andere Art von Epos.
Wer Al’s Musik kennt, weiß, daß er mit Liedern über sein Liebesleben angefangen hat und dann auf historische Songs umgeschwenkt ist. Und nun gibt es diese Lieder über Wein. Vom lyrischen Standpunkt aus bringt er denselben englischen Humor in diese Lieder ein, wie er das mit Liebesliedern und historischen Songs gemacht hat.
Mein Favorit ist wahrscheinlich „Franklin’s Table“. Es ist der interessanteste Song, finde ich – und es ist ein historischer Song. Ich mag Al’s Geschichtslieder sehr.
Wie stehen die Chancen, daß Sie beide nochmal zusammenarbeitet, an einem weiteren Album?
Gut möglich. Ich meine, dieses hat ja fünf Jahre gebraucht... (Er lacht.) Alle paar Monate rufe ich ihn an und sage: „He, Al, hast du was Neues geschrieben?“ Ich glaube, wenn diese CD sich gut verkauft – gut genug, daß die Plattenfirma ihn bittet, eine weitere CD zu machen – dann arbeiten wir vielleicht etwas eher wieder zusammen.
Gab es Pläne für ein Nachfolge-Album zu „Between the Wars“, als „Mesa Recordings“ bankrott ging?
Nein, gab es nicht. Mit Al hat man solche Pläne nicht unbedingt. Ich glaube, worauf es ihm ankommt, das ist... Also, ich habe keins der Konzerte seiner aktuellen England-Tournee gesehen, aber von Leuten, die da waren, habe ich gehört, daß ihm diese Auftritte wirklich Spaß machen. Und das ist seine Motivation: Daß es ihm Spaß macht. So gesehen, wird er vielleicht bald was Neues schreiben, vielleicht diesmal ein bißchen schneller ein neues Album rausbringen.
Eine Sache, die er unbedingt mal tun müßte: Er sollte mehr Klavier spielen. Vor allem live. Er kann sich hinsetzen und „The night that the band got the wine“ am Klavier spielen – so habe ich das Stück zum ersten Mal gehört. Aber er will das nicht auf der Bühne machen. Al sagt immer: „Ich muß erst noch üben...“
Vielen Dank, daß Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben!